Die Regierungen und die Menschen in Europa und den USA erleben tatsächlich eines der schwerwiegendsten Dilemmata unserer Zeit.
Verteidigen wir das, woran wir glauben oder was wir unterschrieben haben?
Wir glauben, dass die Ukraine, selbst wenn sie in den vergangenen Jahren nicht immer Vorreiter der Demokratie und der Achtung der Menschenrechte war, dennoch sehr stetige Schritte in Richtung Einlösung dieser Werte gemacht hat.
Wir glauben auch (und wissen es inzwischen!), dass sich die Russische Föderation rasch von jenem geringen Maß an Freiheit entfernt, das sie ihren eigenen Bürgern gewährt. Unter seinem derzeitigen Führer-Diktator, um seine eigenen Ambitionen zu verwirklichen, ist Russland bereit, eigene Bürger zu ermorden, von fremden Menschen ganz zu schweigen.
Das hätte uns vielleicht dazu bewegen sollen, den Schutz der Ukraine sogar mit militärischer Gewalt zu gewährleisten.
Nun, wir sind keine Superpazifisten. Wenn ein Mitglied der Nato-Allianz angegriffen worden wäre, hätten wir mit Gewalt reagiert.
Aber hier reagieren wir nicht; nicht etwa weil wir grundsätzlich nicht bereit wären, für unsere Werte einzutreten, sondern, weil die Ukraine kein Mitglied der Nato ist.
Nehmen wir mal an die Türkei, deren eigene demokratische und menschenrechtliche Standards derzeit fragwürdig sind, Opfer der russischen Aggression geworden wäre, dann wären wir wohl gezwungen, militärisch zu reagieren.
Die moralische Frage ist: Was ist wichtiger in unserer Werteskala? ein formelles Bündnis oder die humanitäre Krise einer sich abmühenden jungen Demokratie?
Ich behaupte nicht, die Antwort zu kennen, aber sie lässt mir keine Ruhe.
Wünsche einen fröhlichen Monat Adar II.!
Rabbiner Chaim Michael Biberfeld