Volles jüdisches Leben – aber wie?

Schabbat Kodesch Paraschat Ki Tawó

Wir werden diese Woche lesen ((Devarim 30, 11-12)

כִּ֚י הַמִּצְוָ֣ה הַזֹּ֔את אֲשֶׁ֛ר אָנֹכִ֥י מְצַוְּךָ֖ הַיּ֑וֹם לֹא־נִפְלֵ֥את הִוא֙ מִמְּךָ֔ וְלֹ֥א רְחֹקָ֖ה הִֽוא׃

Denn dies Gebot, das ich dir heute gebiete, ist dir nicht verborgen und ist nicht fern.

לֹ֥א בַשָּׁמַ֖יִם הִ֑וא לֵאמֹ֗ר מִ֣י יַעֲלֶה־לָּ֤נוּ הַשָּׁמַ֙יְמָה֙ וְיִקָּחֶ֣הָ לָּ֔נוּ וְיַשְׁמִעֵ֥נוּ אֹתָ֖הּ וְנַעֲשֶֽׂנָּה׃

Es ist nicht im Himmel, dass du sagest: Wer steigt für uns in den Himmel hinauf und holt es uns, und macht es uns kund, dass wir es tun.

Dazu kommentiert Raschi:

״לָא בַּשָּׁמַיִם הִיא״, שֶׁאִם בַּשָּׁמַיִם הִיא — אַתָּה צָרִיךְ לַעֲלוֹת אַחֲרֶיהָ

: Es heißt: sie ist nicht im Himmel, auch nicht jenseits des Meeres; sie ist nicht im Himmel, denn wäre sie im Himmel, so müsstest du zu ihr hinaufsteigen, (Eruvin 55a)

Was will Raschi damit sagen? Was will die Tora hier eigentlich sagen? 

Ist es möglich, “in den Himmel hinaufzusteigen”?  Warum sollte man uns etwas erzählen, was auf jeden Fall unmöglich ist, selbst wenn man es uns befehlen würde? 

Vielleicht: Viele Menschen haben den Eindruck, dass man ein perfekter Zadik sein muss, um die Quintessenz der Tora und der Mitzwot zu erfüllen; ein Mensch, der sich vollkommen selbst gereinigt hat. 

Dieser Passuk sagt uns, dass das Gegenteil der Fall ist – wir müssen keine spirituellen “Everest-Bergsteiger” sein, um die im Kodex der Tora festgelegten Verpflichtungen zu erfüllen. 

Vielmehr, wie im nächsten Vers erklärt (30, 14) 

כ י־קָר֥וֹב אֵלֶ֛יךָ הַדָּבָ֖ר מְאֹ֑ד בְּפִ֥יךָ וּבִֽלְבָבְךָ֖ לַעֲשֹׂתֽוֹ׃       

Sondern sehr nahe ist dir die Sache, in deinem Mund und in deinem Herzen, es zu tun.

Ein erfülltes jüdisches Leben zu führen ist keine Angelegenheit, die einer “elitären Klasse” vorbehalten ist. Es ist offen für alle, כי בפיך ובלבבך לעשותו.

Schabbat Schalom und beste Wünsche

Rabbiner Chaim Michael Biberfeld